Seminar 11. März 2009, Studieninstitut Emscher-Lippe, Dorsten
1. Frage
Ist die Haftung des Architekten/Ingenieurs gegenüber dem fachkundigen Bauherrn eingeschränkt?

2. Frage
Kann der Auftraggeber gegenüber einem Architekten/Ingenieur einen fünfprozentigen Einbehalt von den Abschlagsrechnungen verlangen?



1.Ist die Haftung des Architekten/Ingenieurs gegenüber dem fachkundigen Bauherrn eingeschränkt?

Grundsätzlich wirkt die Sach - und Fachkunde des Bauherren nicht haftungsmindernd. Denn auch der sachkundige Bauherr hat einen Anspruch auf Aufklärung und Belehrung. Schließlich wird der Fachmann auch in vollem Umfang bezahlt.
Der Architekt/Ingenieur hat den sachkundigen Bauherren über die nachteiligen Konsequenzen seiner Planung aufzuklären. Ist der Bauherr einverstanden (der Auftraggeber muss positiv um die Gefahren wissen!), dann kann die Architektenhaftung ausgeschlossen sein. Will der Architekt so argumentieren, dann muss er Beweis antreten: dies gelingt ihm nur mit einer ordentlichen Dokumentation. Ein Architekt/Ingenieur sollte die Haftung ausschließende Einverständniserklärung seines Bauherrn stets beweiskräftig festhalten beziehungsweise bestätigen lassen.
Häufiger Fehler in der Praxis: Architekt/Ingenieur einigt sich nur mündlich mit dem Bauherrn. Wenn er diese Einigung nicht beweisen kann, dann haftet der Architekt, bei ihm liegt die Beweislast.
Einschlägige Urteile: BGH, IBR 1996,373; BGH, NJW 99,2183; OLG Brandenburg, IBR 2006,279; OLG Stuttgart, IBR 1999,544


2.
Kann der Auftraggeber gegenüber einem Architekten/Ingenieur einen fünfprozentigen Einbehalt von den Abschlagsrechnungen verlangen?

Der BGH hat die Frage mit folgenden Leitsätzen entschieden, IBR 2006,212:

a) Eine Klausel in allgemeinen Geschäftsbedingungen des Auftraggebers, wonach dem Architekten oder Ingenieur Abschlagzahlungen in Höhe von 95% des Honorars für die nachgewiesenen Leistungen einschließlich Umsatzsteuer gewährt werden, weicht vom gesetzlichen Leitbild des § 8 Abs. 2 HOAI ab.

b) Die Klausel ist jedenfalls dann wegen unangemessener Benachteiligung des Auftragnehmers unwirksam, wenn sie in einem Vertrag verwendet wird, der die Leistungen aller Leistungsphasen des § 15 Abs. 2 HOAI enthält, eine Teilschlusszahlung lediglich nach Genehmigung der bis zur Leistungsphase 4 erbrachten Leistungen vereinbart ist und die Schlusszahlung für die Leistungsphasen 5 bis 9 erst fällig wird, wenn der Auftragnehmer sämtliche Leistungen aus dem Vertrag erfüllt hat.

Der BGH hat in seiner Entscheidung ausdrücklich den Leitbildcharakter des § 8 Abs. 2 HOAI für Abschlagszahlungsregelungen bejaht. Der Auftragnehmer erleide Liquiditätsnachteile (bei Vereinbarung der Leistungsphase 9 bestehe die Gefahr, auf den Einbehalt 5 Jahre lang warten zu müssen) und trage das Insolvenzrisiko.

Berücksichtigt man ferner, dass hinter dem Architekten/Ingenieur eine Haftpflichtversicherung steht, welche Baumängel grundsätzlich abdeckt, dann besteht keine Notwendigkeit für den Sicherheitseinbehalt.

Selbst dann, wenn die Leistungsphase 9 vertraglich nicht vereinbart ist, vielmehr sich der Vertrag nur bis zur Leistungsphase 8 erstreckt, dürfte die Argumentation des BGH greifen.

Fazit: Klauseln über einen Sicherheitseinbehalt in Architekten-/Ingenieurverträgen dürften grundsätzlich unwirksam sein, und zwar auch dann, wenn die Leistungsphase 9 nicht vereinbart ist!




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